Abt. Statistik: Wer weiß was?
Hätten Sie gewusst, daß über neunundsechzig Prozent der Deutschen schon mal in ihr Badewasser gepinkelt haben? - Nein? Jetzt wissen Sie´s! Seit das Private politisch geworden ist, sind solche Sachen bekannt. Statistiken, Umfragen, Studien ...
Es besteht also eine 7:3-Wahrscheinlichkeit, daß Sie, der Sie das hier gerade lesen, einer sind, der schon einmal in sein Badewasser gepinkelt hat. Statistiker wissen heutzutage alles.
Wieviel Prozent der deutschen Nasenbohrer und Ohrenschmalzpopler wischen sich ihre Finger nicht etwa an einem Taschentuch ab, sondern .... ja, genau: Pfui Teufel. Mehr als die Hälfte. Das sind Mißstände, die auf ewig unentdeckt geblieben wären, wäre das Private nicht politisch geworden.
Aber es kommt noch dicker: Wieviel Prozent der Deutschen haben schon einmal einem Anderen das Leben gerettet? - Weniger als ein Prozent. Was heißt das? Das heißt, daß die Wahrscheinlichkeit, daß Sie noch nie jemandem das Leben gerettet haben, um ein Vielfaches größer ist als die Wahrscheinlichkeit, daß Sie in ihr Badewasser pinkeln und sich nach dem Nasebohren die Finger nicht an einem Taschentuch ... Pfui Teufel. Und Sie sind stolz auf sich? Sie sollten sich schämen.
Aber es ist wichtig, daß solche Statistiken erhoben werden! Wegen der Sicherheit! Wenn wir nicht wüssten, wieviel Prozent der Deutschen in ihr Badewasser pinkeln, dann wüssten wir auch nicht, wie dringend wir die Gefahren von Eigenurin im Badewasser erforschen müssen und auf welche Gesundheitswarnungen die Bevölkerung dann dringend angewiesen wäre!
So eine Statistik hat auch einen meinungsbildenden, pluralistischen Wert. "Wie gefährlich ist es, in sein Badewasser zu pissen?", ist ein hervorragendes Thema für eine Talkshow! Während sich ein Homöopath, ein klassischer Schulmediziner, ein Philosoph, der Talkmaster und eine aquafidele VertreterIn der EKD darüber streiten, ob die Keimevermehrung im Badewasser vertretbar ist und ob überhaupt irgendwelche Gesundheitsgefahren bestehen, welche staatlichen Handlungsbedarf generieren würden, kann man Einblendungen eines Interviews mit einem Physiker senden, der uns darüber aufklärt, inwieweit Eigenurin unsere unmittelbare Umgebung in Abhängigkeit von der Badewassertemperatur zum Zeitpunkt des Wasserlassens erwärmt oder abkühlt, welche Gefahren im jeweiligen Fall entstehen und was die beste Temperatur eines Badewassers ist, um derbe in es hineinzupinkeln! Oder: Welcher Badezusatz wäre am besten geeignet, die Gefahren von Eigenurin im Badewasser zu neutralisieren? Hinterher machen wir noch eine Abstimmung und fortan sind Sie darüber informiert, wie die Mehrheit zu der Sache steht! Das ist doch hervorragend!
Sie sehen: Seitdem das Private politisch geworden ist, hat sich die Gesellschaft enorm demokratisiert. Jeder hat Zugang zu den wichtigen Informationen über die Dinge, die sein Alltagsleben bestimmen. Der mündige Bürger wird dadurch in die Lage versetzt, selbst zu entscheiden, inwieweit er in Abhängigkeit von seiner bevorzugten Badewassertemperatur, seiner eigenen Körpermasse und dem Fassungsvermögen seiner Badewanne gewillt ist, das Risiko des Wasserlassens auf sich zu nehmen. Die Demokratie erleichtert ihm diese Entscheidung! Will er lieber auf der sicheren Seite sein, dann wird er sich im Sinne der Mehrheit entscheiden. Ist er vom Typus her eher ein Hasardeur, wird er gespannt in die Wanne pinkeln, um zu sehen, was passiert.
Umfragen sind unerlässlich, damit die Politik weiß, was sie zur Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger unternehmen muß. Moment, was haben wir denn hier? Ah ja, eine Umfrage zur häuslichen Gewalt. Beantworten Sie bitte die folgende Frage entweder mit "Ja" oder mit "Nein": Schlagen Sie noch immer Ihre Frau?